Oberbürgermeisterin Katharina Pötter eröffnet „Die Villa_“ am Sonntag, 15. September. Die Festreden halten der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Stephan Harbarth und der Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Prof. Dr. Thomas Lindenberger.
Lernort für Demokratie
„Die Villa_“ versteht sich als Debatten-Raum, als ein Ort, in dem Ideen entstehen, wie die Demokratie gestärkt werden kann. „Osnabrück hat einen besonderen, neuen Ort geschaffen, der sich der Stärkung unserer Demokratie verschreibt. Hier können wir gleichzeitig zurück in die Geschichte der NS-Diktatur und voraus in die Zukunft unserer bundesdeutschen Demokratie blicken“, so Wolfgang Beckermann, Erster Stadtrat von Osnabrück.
Ausgangspunkt dieser Auseinandersetzung ist eine neu konzipierte, kritische Dauerausstellung zum Leben und Wirken des Osnabrücker Juristen Hans Georg Calmeyer. Er hat während des Nationalsozialismus Juden gerettet, sich zugleich jedoch am NS-Terror mitschuldig gemacht. Diese Ambivalenz gibt der„Villa_“ ihre inhaltliche Orientierung.
Ausgehend vom menschlichen Handeln stellen sich Fragen: Wie verhielten sich Menschen in der nationalsozialistischen Gesellschaft? Welche Handlungsspielräume hatten sie? Welche Formen des Widerstands gab es? Und: Was bedeutet das für heute? Was tun wir heute für unsere Gesellschaft?
Zum Konzept der „Villa_“ gehört zudem eine klare Haltung: Debatten sollen hier offen und kritisch geführt, Meinungen ausgetauscht und Ideen formuliert werden, die alle gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam tragen können. Entsprechend vielfältig gestalten sich auch die Möglichkeiten für Besucherinnen und Besucher, sich mit den Fragestellungen des neuen Hauses im Museumsquartier Osnabrück auseinanderzusetzen.
„Die Annäherung an Themen wie Diskriminierung, Flucht und kulturelle Identität erfolgt nicht nur durch historische und politische Bildungsarbeit“, erläutert Museumsdirektor Nils-Arne Kässens. „Als Kulturort beziehen wir auch künstlerische Zugänge wie Literatur, Theater und Film in unser Angebot mit ein.“ Ergänzt wird das umfangreiche Begleitprogramm zur Ausstellung durch Stadtrundgänge, Workshops und Beteiligungsprojekte.
Standort mit Geschichte stärkt Demokratiekompetenz von Jugendlichen
Das klare Bekenntnis zur kulturellen Demokratieförderung ergibt sich auch aus dem Standort des neuen Angebots im Museumsquartier Osnabrück.
„Die Villa_“ blickt als einstiger Sitz der Osnabrücker NSDAP auf eine Geschichte als Täterort zurück und war lange als „braunes Haus“ bekannt. Heute thematisiert „Die Villa_“ Neo-Nationalsozialismus und Rechtsextremismus und tritt mit ihrem Programm auch der Desinformation entgegen, die Rechtsextreme nutzen, um unsere Gesellschaft zu destabilisieren. Besonders wichtig sind daher die Angebote der „Villa_“ für Jugendliche.
„Das neue Haus im Museumsquartier Osnabrück stellt den offenen Dialog in den Mittelpunkt. Hier werden kritische Fragen an die Gesellschaft gestellt und produktive Debatten gefördert. Das Programm richtet sich dabei besonders an Jugendliche.“ hebt Patricia Mersinger, Fachbereichsleiterin Kultur der Stadt Osnabrück hervor.
Zum museumspädagogischen Angebot gehören Workshops für junge Menschen ab 15 Jahren. Sie greifen die Geschichte des Hauses und die Ausstellungsthemen auf und behandeln unter anderem Themen wie „Formen der Diskriminierung“, „Zivilcourage“ und „Verantwortung und Täterschaft“. Zusätzlich werden Stadtrundgänge zur nationalsozialistische Geschichte angeboten.
Über Hans Georg Calmeyer:
Der Osnabrücker Jurist Hans Georg Calmeyer, war von 1941 bis 1944, während der deutschen Okkupation der Niederlande, Teil der deutschen Besatzungsverwaltung. Dort verantwortete er das Überleben, aber auch den Tod in den Niederlanden lebender Juden und Jüdinnen. Er entschied in „rassischen Zweifelsfällen“ über den Status „Arier“ oder „Jude“ und „Halbjude“. Davon hing das Leben der Betroffenen ab. Knapp 3.000 Verfolgte gelangten auf die „Calmeyer-Liste“ und entgingen so der Deportation. Er hat Juden gerettet, sich jedoch zugleich am NS-Terror mitschuldig gemacht. Calmeyers politische, ethische und persönliche Motive lassen sich nicht abschließend bewerten.