Kafvka

Musik sonstige, Rock & Pop

Nächster Termin

27.09.2025
20:00
Kleine Freiheit
Pop

KAFVKA // »KAPUTT«

Seien wir ehrlich: Ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft fiel schon mal leichter. Zwischen Klimakrise, Krieg, globalem Rechtsruck und Spätkapitalismus bleibt wenig Raum für Träume und Utopien. Die Welt ist marode, die Stimmung ist im Keller, Rio Reiser ist tot. Die Berliner Formation KAFVKA - seit eh und je bekannt für ihren politischen Einsatz und ihre feinfühlige Sensorik - haben die Entwicklungen der letzten Jahre keineswegs kalt gelassen. »KAPUTT«, das am 28. Juni 2024 erscheinende vierte Album in der zehnjährigen Bandgeschichte, kreist offenherzig und vielschichtig um die Wechselwirkung zwischen lädierten Lebenswelten und durch die Gesamtscheiße lädierten Individuen. Was bedeutet es, am unteren Ende der Nahrungskette zu stehen? Zur Flucht gezwungen zu sein? In der U-Bahn betteln zu müssen? Keine Chance auf Wohnraum zu haben, während andere in Palästen leben? Und was würde passieren, wenn alle von Unrecht Betroffenen endlich aufstehen würden, um die Verhältnisse gemeinschaftlich umzukrempeln? KAFVKA versuchen einmal mehr, Antworten auf diese Fragen zu finden … Gewohnt angriffslustig und ungewohnt introspektiv. »KAPUTT« ist nicht nur das abgründigste, dunkelgrauste Album in der bisherigen KAFVKA-Diskografie, es ist auch das persönlichste. Die großen Parolen früherer Tage sind in den Hintergrund gerückt; wo vorher erhobene Fäuste waren, geht es diesmal in spürbar höherer Frequenz um persönliche Gefühlszustände, innerliche Krisen und Momente der Selbstreflexion. Sänger, Rapper und Texter Jonas Kakoschke hat in einer für ihn schwierigen Zeit begonnen, neue Texte zu schreiben: 2021, kurz nachdem ihm eine Depression diagnostiziert wurde. Nachdenkliche Stücke wie »Danke nein ja bitte sehr«, »Symptom« oder »Wie aus Stein« sind untrennbar mit den Struggles dieser Zeit verbunden: »Ich kann nicht sein, wenn alles so weitergeht / will da nicht rein, während so viele noch draußen steh’n«. »KAPUTT« beweist allerdings auch - und das ist eine der großen Stärken dieses Albums - dass individuelle Baustellen und politischer Zeitgeist oftmals untrennbar miteinander verwoben sind. Gesellschaftlich bedingte Frustration kann lähmen, kann Träume töten, kann Persönlichkeiten verändern und sie bis ins Privateste verfolgen. Jonas Kakoschke kann ein Lied davon singen: Sein Engagement - unter anderem in der Gründung des internationalen Movement SEEBRÜCKE, das sich für sichere Fluchtrouten und eine menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten stark macht - hat ihn geprägt und die DNA seiner Band maßgeblich verändert. KAFVKA haben sich 2013 nicht als explizit politische Band gegründet. Diese Band sind sie Aktivismus-bedingt und Herz-geleitet geworden, im Laufe der Jahre. Überhaupt sind KAFVKA eine sich stetig verändernde, maximal flexible Band: Ihre Themenschwerpunkte, vor allem aber ihre Sound-Ästhetik betreffend. Wer KAFVKA in eine Genre-Schublade zu stecken versucht, wird scheitern: Zu groß ist der Pool an kreativen Spielarten und musikalischen Inspirationsquellen. Jonas Kakoschke, Philipp Lenk, Alessio Pasqualicchio und Sascha Hornung bedienen ihre eigene - übrigens ziemlich zeitlose eigene Kategorie und feilen sie im Zuge der neuen Platte um ein gutes Stück weiter aus. Zwischen Autotune-Rapgesang, kolossalen Gitarrenwänden, Metal-esken Drumloops, Punk, Pop, Schlager-Anleihen und technoidem Bassgeballer dürften KAFVKA ihre Hörerinnenschaft mit jedem weiteren Song neu überraschen. »KAPUTT« ist ein Post-Lockdown-Album, ist - anders als der großteils im digital Raum gewachsene Vorgänger »Paroli« - in unzähligen analogen Jam-Sessions entstanden. Die Bereitschaft zum Experiment, zur Lautstärke- und Tempo-Schwankung, zur Zeitgeist-Antithese, zum mutigen Vorstoß war hoch … Das ist der Platte anzuhören. Der Vibe im Studio? Irgendwie locker und befreit; ein bisschen wie in den Anfangstagen der Band, als man noch keine 500’er-Venues ausverkaufte und an Auftritte im Vorprogramm von Die Ärzte nicht zu denken war. Tatsächlich sind KAFVKA seit der ersten EP aus 2014 viel bigger geworden, als sie es selbst je forciert hatten. Jonas, Philipp, Alessio und Sascha haben sich dem Mainstream zu keiner Zeit angebiedert; der Sprung aus Berliner Subkultur-Kontexten auf die »New Music Friday Deutschland«, von überschaubaren Soli-Konzerten ins »Rock am Ring«-Lineup, vom Hobby- zum Berufsmusiker-Alltag ist ihnen dennoch geglückt. KAFVKAs erfolgreichster Song »Alle hassen Nazis« dürfte demnächst die 10-Millionen-Marke auf Spotify knacken, auch dieser Fakt spricht für sich. KAFVKA haben »die Hände gehoben und Paroli geboten«, sind längst zu einer festen Größe der deutschsprachigen Band-Landschaft geworden - mit eigenem Label und einer treuen Hörerinnenschaft, die ihnen selbst den wildesten Genre-Spagat großmütig verzeihen würde. Als wäre das nicht genug, entwächst das Viergespann der eigenhändig geschaffenen Nische von Album zu Album ein Stück mehr, öffnet sich völlig organisch, aber doch merkbar einer deutlich breiteren Zielgruppe. Theoretisch könnten KAFVKA in Anbetracht ihrer aktuellen Reichweite einen Gang runter schalten, in Sachen lyrischer Konkretheit - doch dafür ist die Band zu aufgebracht, zu angepisst, zu mitteilungsbedürftig. Die dreizehn-gliedrige Tracklist ihrer neuen LP ist gespickt mit hochgradig politischen Themensongs und unmissverständlichen Positionierungen. Ihre Anschlussfähigkeit - und das ist das große Kunststück - verlieren KAFVKA paradoxerweise aber trotzdem nicht. Weil sie ihre undogmatisch dargelegten Inhalte stets an große Emotionen koppeln; weil sie sich trotz aller Abfucks nicht verbeißen, immer auch einen positiven Vibe versprühen und einen versöhnlichen Dreh finden. Ein gutes Beispiel für die KAFVKA-eske Attitüde? Der Ohrwurm »Millionen«, eine wütend-antimaterialistische, in treibende Gitarrenriffs eingebettete Grußbotschaft an finanzstarke Investoren und reiche Erben, die in der Hook-Line »wir wollen Milliarden für Milliarden statt Milliardäre« - und damit in einer grundpositiven Botschaft - gipfelt. Erfrischenderweise können KAFVKA auch ironisch. Das infantil-schwingvolle »Geburtstag«, ein Feature mit Team Scheisse, der Lieblingspunkband deiner Lieblingspunkband, spricht in dieser Hinsicht Bände. Ebenfalls spannend: Aus Jonas Kakoschkes Stimme spricht - selbst im Moment der Kampfansage und frei nach dem Motto »harte Schale, weiches Sein« - immer auch Empathie. Das von kosmischen Piano-Schlägen getragene »Wie aus Stein« unterstreicht diesen Aspekt in seiner Gesamtheit eindrucksvoll. Was »Wie aus Stein« versteckt hält, beweisen Stücke der Marke »Wie lange noch bis«: KAFVKA sind, wenn sie denn wollen, Energiebündel und Stimmungsköche erster Klasse. »Wie lange noch bis« ist eine inhaltsgeladene antikapitalistische Hymne mit vulkanartig-grober Metal-Hook, die wie gemacht zu sein scheint, für die anstehenden Festival-Moshpits. Im direkten Kontrast dazu enthält »KAPUTT« ein ausgemachtes Pop-Wagnis: »Wo sollen wir wohnen«, ein vibig-moderner »Rauch-Haus-Song 2.0«, der die gesamte Dramatik des Phänomens ‚Gentrifizierung‘ innerhalb von drei Minuten auf den Punkt bringt. »Kaputt«, der düstere, nahezu angsteinflößende Titelsong der neuen Platte, leitet den nächsten Mood-Switch ein. Ganz am Ende der Tracklist findet sich »Underrated Forever«, ein erstaunlich selbstreferenzielles Stück. KAFVKA sind glücklich, hier an diesem Platz, den sie sich selbst geschaffen haben. Um diesen Ort als Ziel ihrer Träume anzuerkennen, ist die Band dennoch viel zu hungrig - schließlich gibt es eine Welt zu gewinnen.

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Kleine Freiheit
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49084 Osnabrück
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