Viele Gäste staunten vor allem über die Vielfalt der Osnabrücker Kunstszene, die von Malerei und Fotografie über so unterschiedliche Varianten wie Animationen, Grafiken, Druckerei, Installationen und Töpferei bis hin zu vielen weiteren Spielarten der Kunst. Dabei waren sowohl Kunststudierende am Anfang ihrer Karriere als auch Künstlerinnen und Künstler, die seit Jahrzehnten im Geschäft sind.
Atelierhaus Nobbenburg
Überraschend etwa war das Material, mit dem Konstantin Sauer arbeitet: Bakterienkulturen. Große Meisterwerke der Kunstgeschichte wie Caspar David Friedrichs „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ und Jan Vermeers „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ hat er in fluoreszierendem Farben nachgeahmt. Die aus den verschiedenfarbigen Kulturen gefertigten Werke hat er abfotografiert. Denn die Originale haben eine kurze Halbwertszeit und sind längst nicht mehr existent.
Sauer arbeitet im neu gegründeten Atelierhaus Nobbenburg, das in einem ehemaligen Gartenmöbelgeschäft an der Nobbenburger Straße 13 untergebracht ist. Insgesamt acht junge Künstlerinnen und Künstler erschaffen dort unter anderem Malerei, Bildhauerei, Textilkunst und Urban Art. Von Zoé Pehlke etwa waren dort in der Ateliernacht Skulpturen aus Fahrradschläuchen und Klebeband zu sehen, Alltagsmaterialien, die sie zu ungewöhnlichen und unerwarteten Formen inspirieren. „Die Idee ist, diese Gegenstände zu recyceln und zweckzuentfremden“, sagte Pehlke, die in der Ateliergemeinschaft mit insgesamt sieben weiteren Kolleginnen und Kollegen arbeitet. Teil des Konzeptes ist es, dass sich die jungen Künstlerinnen und Künstler, die zum Teil noch im Studium sind, gegenseitig inspirieren und motivieren.
Vivian Blum etwa nutzte die Gelegenheit, die Gäste am Schaffensprozess teilhaben zu lassen und stellte ein noch unfertiges, großformatiges Bild aus. Caroline Löwen zeigte surrealistische und fantastische Malerei, die zum Teil von ihren eigenen Träumen inspiriert war. Darüber hinaus arbeiten Joost-Hendrik Becker, Luz Bustamante, Emily Witte und Lina V. Zuch im Atelier Nobbenburg. „Wir machen zum ersten Mal bei der Langen Nacht der Ateliers mit. In den Jahren davor waren wir als Besucherinnen und Besucher dort, aber selbst ausgestellt haben wir noch nie“, freut sich Zoe Pehlke.
Ateliergemeinschaft Wachsbleiche
Nur einen Kilometer von dem noch jungen Atelier entfernt liegt Osnabrücks älteste Ateliergemeinschaft an der Wachsbleiche 62 von Christine Hoffmann, Hendrik Spieß, Elke Suhre, Bernd Rüsel und Nina Lükenga. Fast von Anfang an dabei ist Hendrik Spieß, der seit den frühen 1980ern Teil der Ateliergemeinschaft ist. Er präsentierte in der Ateliernacht - neben Vintage-Möbeln und -Accessoires verschiedener Jahrzehnte - blau schimmernde Pool-Bilder, inspiriert von Swimming Pools der 60er- und 70er-Jahre in Hollywood. Bewusst zeigt er sie zu den Tageszeiten, zu denen die Badegäste weg sind und die Schwimmbecken ihren ganz eigenen Reiz entfalten.
Über die Bedeutung der Langen Nacht der Ateliers sagt Hendrik Spieß: „Das ist eine großartige Veranstaltung, bei der die Gäste die Gelegenheit haben, auch die Produktionsstätten der Kunst zu sehen. Hilfreich ist auch der Ausflugscharakter der Ateliernacht, die Gelegenheit, per Shuttle von Atelier zu Atelier zu fahren. Einige Gäste kaufen auch kleinere Arbeiten, die sie leicht transportieren können. Oder sie machen einen Termin aus, um noch mal zurückzukommen.“
Ateliergemeinschaft Dielingerstraße
Ein ebenfalls noch junges Atelier hat sich an der Dielingerstraße 23 angesiedelt. „Das hier ist gleichzeitig eine offene Galerie und eine Werkstatt, ein hybrider Raum“, sagt Künstlerin Franca Plohr. Durch die großen Schaufenster können Passantinnen und Passanten jederzeit sehen, was drinnen produziert wird.
Ihr Atelierkollege Enrico Kosenkow freut sich darüber, als Künstler an der Ateliernacht teilzunehmen: „Es ist schon sehr aufregend, das erste Mal dabei zu sein. 2017 habe ich in Osnabrück mit meinem Studium angefangen und die Lange Nacht der Ateliers als Besucher erlebt. Die Leute sind schon sehr interessiert an dem, was wir hier zeigen.“
„Es ist sehr cool und lohnenswert, dabei zu sein“, bestätigt auch Künstler Martin Collmann, der im Atelier an der Dielingerstraße seine raumgreifende Darstellung eines Königs aus Pappe und weiteren Materialien zeigte.
Kunst aus KI
Gleich gegenüber in der Dielingerstraße lockte Jörg Petersson zahlreiche Gäste in sein „Zwörgenland“, in dem er Texte und unter anderem durch KI generierte Bilder zeigte. Sein Meisterwerk: ein mit Künstlicher Intelligenz erstelltes Paradies, in dem Eva sinnbildlich ganz allein ist.
Martinihöfe und Atelier Trieb
Auch die Künstler, die schon lange dabei sind, wissen die Lange Nacht der Ateliers zu schätzen. „Die Lange Nacht der Ateliers ist für mich sehr gut“, sagte etwa Werner Kavermann, der sein Atelier in den Martinihöfen hat, „zu dieser Veranstaltung kommen immer sehr viele Menschen, die sich für Kunst interessieren.“
Erstmalig teilgenommen hat auch Volker Johannes Trieb mit seinem Atelier am Sutthauser Bahnhof dabei. Er ließ seine Gäste Rettungsringe mit Begriffen wie „Freiheit“, „Frauenrechte“ oder „Freedom of Speech“ beschriften und wird daraus eine Installation erstellen. „Vor Corona hatten wir hier immer offen. Die Lange Nacht der Ateliers gibt uns die Gelegenheit, wieder viele Gäste hierhin zu holen“, freute sich Trieb. Bei der kommenden Ateliernacht 2026 will er wieder dabei sein.
Ateliers Klosterstraße
Auch die Ateliers auf dem alten Fabrikgelände in der Klosterstraße 27 waren begehrt bei den Besucherinnen und Besuchern. Mit einer Lichtinstallation setzte der dort tätige Künstler Mario Haunhorst das Areal in Szene. In der „Kulturetage zwo 7“ konnten die Besucherinnen und Besucher außerdem unter anderem das dort beheimatete Atelier CoWorkArt im Zwo7 kennenlernen, in dem nicht nur Bildende Kunst entsteht, sondern wo sich auch eine Autorengruppe trifft, Malabende und Schreibwerkstätten angeboten wurden.
Kostenlose Shuttles für das Atelier-Hopping
Kostenlose Busshuttles in den Stadtteilen Schinkel, Schölerberg, Lüstringen, Hafen und Sutthausen erleichterten das Atelier-Hopping. Wer zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs war, kam möglicherweise an den von Künstlerinnen und Künstlern gestalteten Litfaßsäulen des Projektes #kunstsichtbar vorbei. Es läuft noch bis zum 20. Juni. Ebenso zu entdecken sind die „Schaufenster zur Kunst“ in der Bier- und Krahnstraße sowie am Nikolaiort und am Herrenteichswall.
Parallel zur Langen Nacht der Ateliers nutzten zudem fast 400 Besucherinnen und Besucher die Gelegenheit, die Ausstellung „Orte des Friedens” im Kulturhaus an der Marienstraße zu sehen. Acht Studierende des Instituts für Kunst/ Kunstpädagogik stellen dort künstlerische Ergebnisse aus dem Sommersemester 2023 aus.
Stimmen von Gästen
Und wie fanden die Gäste die Lange Nacht der Ateliers? Sie äußerten sich sehr positiv über das Event. Eine Besucherin etwa sagte: „Es war sehr spannend, in so vielseitige neue Kunst-Welten schauen zu können. Irgendwie hat jedes Atelier was für sich. Besonders gut fand ich auch die Druckwerkstatt von Arsentij Pawlow und die mit KI erzeugten Kunstwerke von Jörg Petersson.“
Ein weiterer Besucher sagt: „Ich finde es super, die schönen Locations zu sehen, in denen die Künstlerinnen und Künstler arbeiten. Besonders spannend fand ich etwa die Ateliers an der Klosterstraße mit dem Atelier 27 in den alten Fabriketagen und der Kulturetage zwo 7 sowie die Martinihöfe mit Werner Kavermann und Birgit Kannengießer. Reizvoll war aber auch das Atelier Nobbenburg.“